Ich stöbere gerade hier und da in den mittelalterlichen Mären – welche reich sind an bösen Frauen. Diese Erzählungen sind derbe, vulgär und brutal. Die Frauen sind da zänkisch und heimtückisch, sie quälen ihre Männer, sind wollüstig und die Ehe ist ein Schlachtfeld der Bösartigkeiten.

Fangen wir aber mit etwas Leichtem an – einer Geschichte, die für den Mann gut ausgeht.

Die üble Adelheid – etwa Ende 13. Jh., Verfasser unbekannt, Entstehungsort: nahe Augsburg. Zu finden bei Lutz Röhrich.

Markhart hat es nicht leicht. Markhart ist ein redlich arbeitender Mann, ein Bauer mit Hof und bisschen Geviechs und es könnte ihm so gut gehen – wäre da nicht Adelheid. Adelheid ist seine Frau und Adelheid macht immer und grundsätzlich das Gegenteil von dem, was der Markhart sagt.

In den Versen erfährt man nicht viel zu Vorgeschichte, aber ich stelle mir das so vor: Die Adelheid war ein fesches Ding. Heutzutage wäre sie vielleicht Influenzerin oder Azubi zur Sachbearbeiterin in der Rentenstelle – halt eine Maid, bei der die Lashes sitzen und die regelmäßig zum Fitness geht und die Haare lang und blond oder wenigstens lang und brünett – und die außerdem eine gewisse Neigung zur eigenständigen Meinung hat. Damit rechnet Mann u.U. aber nicht. (Ich kuck hier keinen an.) Und auch Markhart hat das mit der eigenständigen Meinung in seiner Verliebtheit nicht mitbekommen. Passiert.

Jetzt sind die beiden jedenfalls verheiratet und Adelheid, das widerspenstige Biest, macht nicht nur NICHT was man ihr sagt, sondern immer genau das Gegenteil. Und warum? Natürlich nur, weil sie ein böses Weib ist. Logisch. „Grad zum Schur“, wie meine Oma immer gesagt hat. „Grad zum Schur“.

Irgendwann übertreibt es Adelheid aber dann doch und tut das, was die richtig üblen Ehefrauen eben so tun – sie verweigert … nein, nicht die eheliche Pflicht, schlimmer: sie verweigert ihm das Essen. Gibt nix. Küche kalt. Und kaufen darf er sich auch nix, der arme Markhart.

und waer ez din grimmer tot,/ du enbizest talanc kein gebrot./ du muost noch hiute vasten/ biz dir din ougen glasten.

(V. 17-20)

Dem Markhart reicht es da und da er gar nicht so dumm ist, wie er am Anfang scheint, denkt er sich: Höh, das nutze ich doch für mich – da mache ich einen auf ‚umgekehrte Psychologie‘. Wahrscheinlich hat er das aus einem YouTube-Tutorial für leidende Ehemänner, nein halt, damals gab es das noch nicht – sagen wir, er hatte die Idee vom Pfarrer. Oder seiner Mutter. Ist ja auch egal.

Markhart regt sich auf. Ganz mörderisch und zwar darüber, dass die ganzen Leute hier zum Markt rennen, nach Augsburg. Schrecklich. Und Adelheid so: „Was? Markt! Da gehen wir auch hin!“

Markhart: „Nein, niemals, ganz scheußlich das alles.“

Adelheid: „Doch. Du musst.“

Also gehen die beiden zum Markt, weil Adelheid sich halt immer durchsetzt, und dann sehen sie einen Mann der trägt einen blauen Anzug. Von Boss. Und eine lachsfarbene Krawatte. (Ich weiche hier ein wenig vom Original ab, wegen der besseren Verständlichkeit, merkt ja keiner.)

Markhart: „Boah, schau dir diesen Yuppie an! Wie schaut das denn aus! Blauer Anzug! Blau! Grauenhaft.“

Adelheid (na, könnt ihr es erraten?) – richtig, Adelheid zerrt Markhart in den nächsten P&C und zack, hat er auch einen blauen Anzug. Doch damit nicht genug, als nächstes möchte Markhart etwas gesundes essen – Vegane Ketoburger* und Salat, dazu ein erfrischendes Glas Wasser, ohne Sprudel.

Adelheid aber greift durch, sie zwingt ihn zu Haxe mit Röstkartoffeln, Bier und einen Obstler als Abgang.**

Dann macht man sich auf den Heimweg, natürlich nur, weil Markhart, der müde und erschöpft ist von seinem Eheleben, sagt, er wolle gern noch etwas bleiben – und man geht nebeneinander den Fluss entlang und als der Markhart zu Adelheid sagt „Pass uff, geh da mal nicht so nah dran“ da macht sie noch einen Schritt zur Seite, fällt in den Fluss und versinkt.

Und weil der Markhart aber ein guter Kerl ist, sucht er ihre Leiche. Als ein ‚Reiter‘ kommt – also in unserer Geschichte ein Jogger oder ein Rennradfahrer – und ihn fragt, was er da suche (Ey, was mache Sie denn da? Hier dürfe Sie nicht schwimmen!) und Markhart ihm sagt, er suche seine tote Frau fragt er: „Wo ist die Gute denn ins Wasser gefallen?“

„Na, da und da …“

„Aber Mann! Sie Depp, Sie! Sie suchen ja stromaufwärts! Das geht doch gar nicht, stromabwärts müssen Sie suchen!“

„Ha, was, die Adelheid, die war so ein widerborstiges Biest, die macht nicht mal um Tode, was sich gehört …“

„Oha, na, dann suchen Sie sie mal lieber nicht – der Teufel soll sie finden.“ Und so gingen beide ihrer Wege und der Markhart lebte glücklich und zufrieden. Ob er nochmal geheiratet hat, ist nicht überliefert.

Das ist jetzt leichthin erzählt – ein Lehrmärchen, dass die Frau zu Gehorsam anmahnen soll, weil der Ehemann ihr am Ende ja doch überlegen und sowieso der Klügere ist.

Aber Adelheids ‚Widerstand‘ kann man auch ernsthafter lesen – und zwar übt sie sehr direkt Macht aus. Zum einen, indem sie das gesamte Geld unter sich hat und ihr Mann ohne ihre Zustimmung nicht mal ein Brot kaufen kann – zum anderen, weil sie zur körperlichen Gewalt greift, um ihren Willen durchzusetzen.

Wäre das eine in den Geschlechtern vertauschte Geschichte, würde wir über Narzissmus, toxische Männlichkeit, Machtmissbrauch und eheliche Gewalt reden.

Ich mag nicht so gern mit solchen derben Geschichten, die sich eines brachialen Humors und der Übertreibung bedienen – und ganz klar der Erziehung dienen – feinsinnige Interpretation treiben. Das geht völlig an ihrem Wesen vorbei. Das sind Geschichten, die einer patriarchalen (und christlichen) Denkwelt entstammen – und damit ist viel eher die Frage: Warum gibt es so viele Mären von bösen Weibern? Gerade in patriarchalischen Gesellschaften?

tbc.

*Roggenbrot und H2O

**Weißbrot und guter Wein