Manchmal ist mir langweilig. Dann lese ich in den Kommentaren von Twitter herum. Jenseits meiner blubberigen Wohlfühlbubble.

Tut. Das. Nicht.

Hass, Dummheit, krudes Denken. Es stapelt sich und man weiß hinterher, dass die Leute jederzeit wieder Hexen/Hexer verbrennen würden, wären sie noch in der Lage, einen gescheiten Scheiterhaufen zu errichten und Feuer zu machen.

Meist sind es aber die kleinen Merkwürdigkeiten, die mir am längsten nachhängen – nicht die „Tabubrüche“, die halt mehr oder weniger erfolgreich Aufmerksamkeit generieren.

So wurde mir (warum auch immer) ein Tweet in die TL gespült: Eine Frau berichtet über Trennung an den Feiertagen. Mann lässt sie mit zwei kleinen Kindern zurück – weil ein Neuanfang ihm der leichtere Weg scheint.

Trennung, gerade mit kleinen Kindern, ist halt ein Trigger, das kennt man (mindestens von den Freundinnen) – und überhaupt: Aua. Also schau ich rein und natürlich ist da viel Anteilnahme, seitenweise Berichte von der eigenen Trennung, Zuspruch und Mutmachen, aber es dauert auch keine drei Scrolls bis sich ein Mann findet.

Es dauert nie mehr als drei Scrolls, bis sich ein Mann findet, btw. Aber das ist wieder ein anderes Thema – es geht ja hier um Frauen.

Aber zuerst zum Mann. Der ist nicht einer von denen, die so was schreiben wie: „Haha, bist bestimmt fett geworden!“ oder „Warum twitterst du das? Kümmer dich lieber um deine Kinder!“ Die gibt es auch, die gibt es immer. (Und gar nicht mal selten sind es Frauen, die solches schreiben.) Unser Mann hier aber ist einer, der hat ein Anliegen. Soweit man das sagen kann, Himmel, es ist Twitter, natürlich kann man immer nur raten – jedenfalls postuliere ich einfach mal: er hat ein Anliegen.

Die wunderbaren Frauen überhören oft (absichtlich/unabsichtlich) die Hilferufe ihrer Männer. So eine Entscheidung kommt nicht plötzlich.

sinngemäßes Zitat

Ja, so habe ich auch gekuckt.

Okay, lassen wir mal außen vor, dass Leute aus zwei Zeilen Twitter ganze Lebensgeschichten herauslesen und Zeug erahnen, da kommt keine Hellseherin drauf, nicht mal eine gute. Das ist geschenkt, das ist halt Twitter.

Aber. Was mir hängen blieb, war die unerkannten „Hilferufe“ der Männer.

Das ist schon eine sehr eigene Formulierung.

Nun, Beziehungen sind nichts für Weichlinge. Eine Freundin sagt, sie seien wie Waschmaschinen. Man sollte sich alle zehn Jahre eine neue zulegen – auch wenn man denkt, die alte tue ja noch und sei völlig ausreichend, man ist doch immer glücklicher mit einer neuen.

Ähm, da ist was dran – aber gerade wenn man Kinder (und Haus und Auto und Rassekatze und Brimborium hat), dann geht es auch ein klitzekleinwenig um Verantwortung und nicht nur um die Suche nach dem Glück. Gut, das ist vielleicht jetzt etwas altmodisch von mir – jedoch … eine andere Freundin prägte die Weisheit: Ich habe drei Kinder mit dem Mann. Ja, ich frag mich wirklich oft warum. Aber wir sind hier nicht im Ashram bei der Selbstfindung. Hier geht es um Verpflichtungen, Pragmatismus und Ärmel hoch. Glück ist, was man draus macht.

Fassen wir zusammen: ich habe für jede Trennung Verständnis und für jedes Zusammenbleiben. Am Ende muss man das selber wissen und selber ausbaden. Das eine wie das andere.

Und klar ist auch, dass eine Beziehung nicht in dem Moment endet, in dem einer sagt: Es ist vorbei. Es ist immer ein Weg. Und wenn auf diesem Trennungsweg von ‚Hilferufen‘ die Rede ist, dann kenne ich das eher von Seiten der Frauen, die sich zwischen Care- und Lohnarbeit aufreiben.

Da kenne ich die Diskussion ziemlich gut und auch den Zusatz: Frauen würden ja nicht klar sagen, was sie wollen. Die müssten nur mal sagen, was der Mann machen soll usw. usf.

(Interessanterweise war das auch die Reaktion auf unseren Twitterer-Mann: Die Männer sollten halt reden, wenn sie was wollen.)

Nun, mal davon abgesehen, dass wenn einer was will und der andere macht das nicht, es zu 90% der Fälle daran liegt, dass der andere das nicht machen will – und nicht etwa, dass er nicht verstanden hat, was die Bitte war – bleibt die Frage: Rufen Männer um Hilfe?

Dürfen die das überhaupt? So als große, starke Kerle, die das Mammut jagen? Wäre das nicht schon mal ein Fortschritt, wenn ein Mann bei der Paarberatung sitzt und sagt: Ich habe die ganze Zeit versucht klar zu machen, dass ich mehr Unterstürzung brauche – aber die Vorstandssitzung war meiner Frau einfach wichtiger?

Mal im Ernst – ist das nur eine krude Formulierung, um dieses ‚die Frau hat sich nicht um den Mann gekümmert‘ oder ‚die Bedürfnisse des Mannes wurden nicht erfüllt‘ zu umgehen? Diesem Anspruch, dem die Erwartung zu Grunde liegt, dass wie gut oder schlecht eine Beziehung ist, von der Frau abhängt. Und zwar nur von ihr?

Oder geht es hier um ein ernstes Gefühl der Hilflosigkeit?

Sind Männer hilflos? Und erkennen die bösen Frauen das nicht?

Und warum erkennen sie es nicht – immerhin besagt ja das Gesetz, dass Frauen in ihrer genetisch bedingten Fürsorglichkeit so was wie einen Fledermausradar für Bedürfnisse haben.

Ach, es ist kompliziert.

Jedenfalls: Hilflosigkeit. Kenn ich. Ist wie atmen.

Ich fühle mich ungefähr 248mal am Tag komplett hilflos, weil ich dauernd Dinge entscheiden, durchsetzen, raten, erwägen muss. Ich habe mal geheult, weil das Kind ein Osterei mit Pailletten verziehren sollte (Kindergarten, fragt nicht) – und das Kind solche Sachen aber einfach nicht macht. Und jetzt war ich die einzige Mutter, die ohne ein Paillettenei dastand und ich einfach nicht wusste, ob das einer der Momente ist, wo man sich ‚halt mal durchsetzen muss‘ oder einer von denen ‚wo man das verdammte Ei selber bastelt, damit einem die Gesellschaft den Buckel runter‘ oder einer von denen, wo man sagt ‚mein Kind bastelt nicht, und? UND?!‘

Ich wusste es einfach nicht, ich wollte in diesem Augenblick nur ein Kind haben, ein einziges Mal ein ganz normales Kind das ganz normal Dinge bastelt, wie alle anderen auch, und stattdessen – jedenfalls war es sehr dramatisch und ist als der große Ostereierweinkrampf in die Familiengeschichte eingegangen.

Ich, in meiner Rolle als Frau & Mutter bin dauernd hilflos, überfordert und verzweifelt wegen ’nix‘. Und warum sollte das bei Männern nicht genauso sein? Nur weil sie ein Chromosomenpaar anders haben, kann ja nun nicht … aber vielleicht können sie das nicht so ausleben. Und müssen immer was wichtiges stattdessen erledigen und weg sein und überhaupt. Vielleicht ist die Abwesenheit des Mannes im Care-Arbeits-Betrieb ein Hilferuf.

Und die böse Frau in mir hört das einfach nicht?

Also, nur für den Fall, dass jemand das Bedürfnis nach Überforderung verspürt: Ich hab noch von den Eiern. Und den Pailletten. Und ich leih auch gern das Kind aus, kein Ding.