Gedanken, Ideen, Fallgeschichten, Fakten, Kolumnen & Geschichten, lose Fäden und Hanebüchenes

Kategorie: (K)eine Rezension

Daniela Krien „Der Brand“

Kann man ein Buch mögen, sehr gern gelesen haben – wenn man die Hauptfigur nicht ausstehen kann?

Ja, geht, wenn es Krien ist.

Ich mag den Sound, das Klare der Prosa, die kühlen Sätze, das Kurze, das Tempo. Kriens Erzählton ist (wieder) ganz meins. Und ich mag: die Konzentration auf das ‚kleine Leben‘. Alltägliche Menschen, alltägliche Probleme – keine großen Schlachten werden geschlagen, es dreht sich um den Mikrokosmos Familie, Beziehung, Liebe, Arbeit, Alltag im Hier und Jetzt.

Das wird Krien oft vorgehalten, diese kleinen Themen – aber ich bin da ganz Kabbala: Das Große ist im Kleinen und das Kleine ist im Großen.

Also, ein tolles Buch. Fertig. Kurzrezension Ende.

Naaa, nee, ne. Denn, wie gesagt, ich kann die Hauptfigur nicht ausstehen. (Und ihren Mann genauso wenig). Dieses Pärchen um die Fünzig – Bildungsbürgertum, er Prof., sie Thera. Dazu zwei gesunde, erwachsene Kinder. Urlaubsfindungsprobleme und Beziehungsprobleme und Lebensende-nähert-sich-Probleme und: kein Bock mehr.

Das wäre der Titel überhaupt: Kein Bock mehr.

Also, der Peter auf die Rahel. Denn er schläft nicht mehr mit ihr, mit dieser schönen Frau, die sich so sehr danach sehnt, begehrt zu werden.

Aber das war es noch nicht, man hat nämlich: Keinen Bock mehr auf das Aushandeln, Austarieren von Beziehungen – auf Widerspruch, Kritik oder stetiges Neu-Kennen-Lernen. Keinen Bock mehr auf den Job – er ist gekränkt, weil seine Lehrmethoden von den neuen Studenten nicht geschätzt werden, ihr gehen die Patienten auf die Nerven. Man hat auch keinen Bock auf die Enkel und schon gar nicht auf neue Erziehungsmaßstäbe, wo dann u.U. unterm Tisch gegessen wird.

Keinen Bock auf die Fragen, die die Kinder aufwerfen – die Tochter ganz direkt, indem sie die Klappe aufreißt und ihre Ehe sehenden Auges an die Wand fährt. Der Bub, indem er zu Armee geht.

Zur Armee. Ausgerechnet. Man nimmt es bisschen mit ‚Er liebt halt Sport und Adrenalin, kann sich da ausleben‘, doch dann kommt er damit, dass er die Freiheit verteidigen will. Dass er es ernst meint: Soldat sein. Und auch da hat man keinen Bock auf Diskussion, ist so ein schöner Sommerabend, man sieht sich nicht oft …

Gleich zu Beginn findet Rahel Tabak, dreht sich eine Zigarette und kommt stetig nicht dazu, sie zu rauchen. Weil immer was ist und immer wer was will und immer … ich gebe offen zu, dass ich im letzten Drittel das Buch angeschrien habe: „Du bist fünzig, Mädel. Wenn du eine rauchen willst, dann rauch eine. Verdammte Axt.“

Sie raucht sie noch, aber das hätte sie sich schenken können. Keinen Bock auf Schmutz in der Wohnung, auf jede Art der Veränderung, keinen Bock auf Nachrichten (Klimawandel, ganz schlimm, ganz schlimm, gleich mal Radio ausmachen) – keinen Bock auf Menschen, die anders denken, leben, handeln, keinen Bock auf Streiten und schon gar keinen Bock auf die Pandemie. ‚Man kann ja nicht in Furcht leben‘. Bloß weil da ein Virus rumseucht, kann man jetzt nicht irgendwas ändern, wo kommen wir denn da hin? Der drohenden Unbill des Alters und dem potentiellen Verlust von Körperfunktionen wird mit einer Patientenverfügung begegnet – alles abschalten, fertig.

Die Erwartung aneinander ist, dass der andere ein stetig verfügbares Lager ist, auf das man sich, wann immer man es braucht, sanft betten kann – und bitte, also wirklich, bitte keine Erbsen unterm Laken aus ägyptischer Baumwolle. Da hat man – richtig – keinen Bock mehr drauf. Und genauso geht man miteinander um, ein einziger Eiertanz um jedes echte Gefühl. Harmonisch wird gekocht und geschwommen und irgendwann auch wieder geliebt.

Kein Einlassen aufeinander, nirgends. Peter, der seine Zuneigung zu den Tieren entdeckt (oder ist es Rahel, die hier entdeckt, dass ihr Peter Tiere mag?) und damit allein bleibt. Rahel nimmt es wahr und das war es. Nicht ein einziges Mal wird die Katze gestreichelt oder das Pferd getätschelt. Und selbst der flugbehinderte Storch (Ein Storch! – würde ausrasten, aber naja) ist für Rahel nur Szenenhintergrund für ihren Peter, der ja doch noch ganz fesch ist, für sein Alter.

Kein Bock auf Trennung – aber nicht etwa, weil man noch ein Interesse am ‚Wir‘ hätte – sondern weil so eine Trennung ja auch nur Mühe macht. Trennungsarbeit ist Beziehungsarbeit und dann muss man noch die Möbel umstellen, ach, kein Bock.

Peter schlägt Rahel vor, sie könne sich ja einen Mann dazu nehmen, das sei in Ordnung für ihn. Jetzt. Rahel lehnt ab, aber sanft, ganz sanft. Ohne ihn zu verletzen, ohne Diskussion, ohne irgendwas auf den Tisch zu bringen – und das ist eine der unzähligen Szenen, in denen man sich wünscht, Rahel würde ganz entspannt nach dem Kissen greifen und ihre yogagestählten Körperkräfte nutzen, um den Alten einfach zu ersticken.

Als Rahel endlich, ENDLICH der Faden reißt und sie ihre ganze Wut auskotzt – zack, gleich darauf: „Verzeih, verzeih, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist …“ *wirft sich in den Staub und rollt dreimal*

Und Peter: „Ja, geht mir genauso. Glaub, du kennst mich gar nicht. Aber naja. Bin jetzt mal beim Pferd. Machst du Salat zum Abendessen, Schatz? Einen, der zum Riesling passt?“

Natürlich ist das falsch zitiert, reduziert und völlig überspitzt. Krien ist eine feine Autorin, eine subtile Beobachterin und sie malt ein Sittengemälde, genau, bittergenau und alles daran ist wahr und alles daran kennt man (auch von sich selbst). Ich lese es als Zeitzeugnis, als exakte Beschreibung ohne Zynismus und ohne Gnade. Es legt frei – und überlasst es vollständig dem Leser, wie er dazu steht. Nein, ich habe keine Ahnung, welchen Blick die Autorin selbst auf ihr Paar hat – und das ist große Kunst.

Erzählen, ohne die Wertung beizulegen. Das macht für mich einen Großteil dessen aus, warum ich dieses Buch sehr gern gelesen habe und es wieder lesen werde – auch wenn ich hier zetere.

Was mich langfristig mehr beschäftigt als das Gekusche voreinander, ist der herabsetzende Blick Rahels auf die ‚jungen Menschen‘ – besonders auf ihre Patienten.

Ihre Großmutter, ja die, die ist mit nackten Füßen durch das brennende Dresden gerannt – das war noch ein anständiges Trauma! Aber Kifferpsychosen, Notkaiserschnitte und verwöhnte Jungmänner, die erkennen, dass sie doch keine kleinen Prinzen sind? Pah. Wunsch und Wirklichkeit, sagt sie, bekommen die nicht übereinander. Das war’s.

Das war es nicht. Es gibt keine leichten Zeiten und es gibt keine Hierarchie im Leid. Zu glauben, es gäbe keinen Hunger an reich gedeckten Tischen, ist ignorant. Aber das wäre ein eigenes Buch, wollte man davon erzählen …

Ein erschreckendes, schreckliches Buch – nicht zuletzt, weil die Protagonisten nur unwesentlich älter sind als ich. Vielleicht sollte ich eine rauchen, nur aus Prinzip.

Das Berlingefühl

Mir fehlt Berlin. Jaja, klar, man fährt gelegentlich von Rand-Berlin nach Richtig-Berlin rein, ist dann völlig fassungslos, weil man in der Kantstraße einen Parkplatz findet, holt sich ein paar Comics in Kreuzberg, damit der Comichändler überlebt, usw. usf. … aber das Berlingefühl mit Sommernächten, Erdbeerbowle, Tretbooten, Menschenmassen, S-Bahn-Chaos, ganze Schafe grillen im Park und Porsches auf dem Ku’damm, die bunten Menschen und der Wirrwarr der Sprachen und der Geruch von Gras und Döner … dieses immer leicht angeranzte und immer großschnäuzige und was immer Berlin für euch ausmacht. Es fehlt.

Und da ist es ein wenig tröstlich und ein wenig traurig, wenn ein junges Berliner Bündnis&Verlag-Unternehmen, die #BerlinAuthors, Anthologien macht, und alle haben dieses Berlin-Gefühl. Man liest und ist in einem ständigem ‚Hach‘ oder ‚Meh‘ oder ‚Snüff‘. Falls also jemand nostalgisch oder vorfreudig-hoffend sein mag oder einfach nur, weil es so schön ist, sich ein bisschen Berlin reinzuziehen: Holt euch das Buch. Oder gleich alle. Lohnt sich.

Großstadtklänge:

Von singenden Vögeln in dunklen Gassen

– 9. Dezember 2020

von S. M. Gruber (Herausgeber), Liv Modes (Herausgeber), Jen Pauli (Herausgeber), Katharina Stein (Herausgeber)

12,90 Euro

Sprache : Deutsch

Taschenbuch : 256 Seiten

ISBN-10 : 3752661941 ISBN-13 : 978-3752661941

Kauf mich \o/

Mythenmetzsche Abschweifung:

Was hat das jetzt mit bösen Frauen zu tun? Naja, es hat mit mir zu tun und das reicht ja wohl.

Nix hat es mit bösen Frauen zu tun, aber ich wollte so gern davon erzählen. Ich habe nämlich ein etwas gespaltenes Verhältnis zu Anthologien. Als ich so richtig jung war (damals, einst, once upon a time), da liebte ich Anthologien, ich bekam sie auch dauernd von der Familie geschenkt, weil ‚du liest ja gern‘ und ‚da sind lauter berühmte Schriftsteller drin, hat der Buchhändler gesagt‘ – jedenfalls waren Anthos für mich das Tor zu den großen Stimmen. Versammelt zu einem Thema, einem Anliegen, einer Idee. Und wie vielfältig diese Stimmen waren, wie jede ihren ganz eigenen Klang hatte. Rilke, Egon Erwin Kisch, Böll, Bachmann, Kaleko … ihnen allen begegnete ich das erste Mal in einer Anthologie.

Später dann, schreibend, waren Anthologien der erste Schritt ins Veröffentlichen. Bei Wettbewerben, wo man zwar nicht ganz, ganz vorn dabei war, aber doch mit in der Anthologie, oder bei Projekten, Kleinverlagen, Foren … irgendwann hatte und hat man stapelweise Anthos. Nicht nur die eigenen, sondern auch noch die von all seinen Freunden und den Freunden von den Freunden, und um ehrlich zu sein, schaffe ich oft genug gerade so den Text, das Gedicht, die Geschichte der Freunde zu lesen – der Rest wandert unbesehen und unbelesen ins Regal.

Das ist natürlich gemein und böse (ha!) – aber so ist das eben. Mit der Zeit kennt man eh mehr Leute, die schreiben, als solche, die lesen.

Die letzte Anthologie, die ich geschenkt bekam, war von einer Buchhändlerin, die mich erst für eine Lesung angefragt hatte und dann doch abgesagt und es war „Geduld ist alles“ – Geschichten und Gedichte über das Warten. Diogenes. So als Trostkeks, oder was immer die Botschaft auch war.

Jedenfalls habe ich da rein- und drein- und rundherumgelesen und das wohlige Anthologiegefühl wollte sich gar nicht recht einstellen, es war mehr so: puh, die richtigen Schriftsteller haben es auch nicht leicht – ein Leben für die Literatur, endlich wird man berühmt und dann endet man in so nem Geschenkbuch.

„Großstadtklänge“ ist die zweite Berlinanthologie der #BerlinAuthors und sie vereint, wenn ich mich jetzt nicht verzählt habe, 31 Berliner Autoren. Und jede erzählt von einem ganz besonderen Klang – einem Berlin-Sound, einem Geräusch, einem Laut oder einem Leise, das Berlin ist. Das Rattern der Bahn, der Fernseher des Nachbarn, die Musik in den Clubs oder das Schweigen hinter dem Lärm. Immer ist es mehr als ein Geräusch, immer ist es eine kleine Geschichte – in Berlin, um Berlin, mit Berlin und aus Berlin. Die große Stärke dieses Buches ist die Mannigfaltigkeit der Stimmen. So bunt wie die Stadt, so verschieden wie die Leute hier, ist auch die Textauswahl.

Die größte Schwäche ist: die Mannigfaltigkeit der Textauswahl. Weil die Art der Kurzerzählungen eben von Genre bis E von gestandenem Erzähler bis erster Versuch reicht – lässt es sich nicht vermeiden, dass man die eine Geschichte mehr mag als die andere. Und auch das liebevolle und genaue Lektorat kann da nicht soweit ausgleichen, dass man in den Sog kommt, den man von Büchern kennt, die man von vorn bis hinten ließt. Hier gleitet man nicht, man hopst.

Und wenn man schon hopst und Berlin zum Thema hat, dann könnte man durchaus noch etwas abgründiger, experimenteller, wilder, böser, literarischer, anarchistischer springen und vielleicht ist es mir! (und nur mir?) auch einfach nur ein bisschen zu brav und ein bisschen zu konservativ. Wobei man da wieder sagen muss: Anthologieerschaffer können stets nur aus den Texten wählen, die eingeschickt werden, und kann natürlich gut sein, dass die wilden Literaten Berlins da einfach noch nicht bei waren.

Außerdem sind Anthologien immer auch wie Buffets – man nascht von allem, man mag nicht alles, man hätte ausgerechnet von dem einen Dings mehr als da ist – aber das heißt ja nicht, dass man nicht satt und glücklich nach Hause rollt und sich auf das nächste freut.

Summa Summarum: Hach, Berlin. Ick vermiß dir, aber kommt ja zum Glück wenigstens bald die nächste Antho …

Vom Schweigen der Frauen

Magaret Atwoods Report der Magd ist eine 1985 erschienene Dystopie, die nichts an Aktualität eingebüßt hat.

In einer nahen Zukunft übernimmt eine radikal-religiöse Vereinigung die Macht und zwingt die Menschen in ein strenges, gnadenloses Kastensystem. Eine religiöse Diktatur, ein System aus Überwachung, Strafe und Privilegien.

Der heilige Gral ist die Fruchtbarkeit – Kinder sind selten geworden. Die Ursache dafür bliebt, wie vieles, in Andeutungen. Umweltzerstörung, Strahlung, Pandemie, eine Mischung daraus, letztlich spielt es keine Rolle. Die Mägde, junge, fruchtbare Frauen werden mächtigen Männern zugeteilt, rituellen Befruchtungsvergewaltigungen unterworfen und ihre Identität ist beschränkt, beschnitten, reduziert allein auf die der Austragenden, der Gebärenden. Es ist – für die Zeiten – ein privilegiertes Leben, sie müssen nicht arbeiten, wenig tun, sie bekommen gesundes und ausreichendes Essen, sie werden geschützt, medizinisch betreut, sie werden beneidet und gehasst. Die Blicke folgen ihnen, wenn sie in leuchtendes Rot gekleidet, die Straßen entlang gehen.

„Es gibt eine Freiheit zu und eine Freiheit von“ heißt es relativ zu Beginn des Buches – und es gelingt Atwood, bei allem Schrecken und Schrecklichen der ’neuen‘ Zeit, die alte Zeit nicht als Sehnsuchtsort erscheinen zu lassen. Waren Frauen je frei? Waren Menschen je frei?

Der Report der Magd ist eine tagebuchähnliche Aufzeichnung. Die Ich-Stimme ist keine laute. Die Protagonistin ist keine Kämpferin, ihre Mutter war eine, die beste Freundin – war es in der alten Zeit und eine kurze Weile in der neuen. Die Erzählstimme rebelliert nicht, sie erfasst nicht einmal genau, was geschieht – sie versucht weder Hintergründe noch Ursachen zu erforschen oder zu verstehen. Sie berichtet nur klein, klein, klein von Einkäufen, Blumenbeeten, Blicken der Frauen, den Haushaltsabläufen, den Forderungen, die sie erfüllen muss, um zu überleben und dem kleinen Fluchtmoment des Verliebens in einer lieblosen Welt – und all das Kleinklein ist durchwebt von Erinnerungen an die alte Zeit und den Beginn der neuen.

Doch: Allein, dass sie spricht, dass sie nicht verstummt, dass sie sich selbst erzählt und damit auf sich selbst beharrt – ist Macht. Sie ist nicht ‚Magd‘ – sie ist ein ‚Ich‘.

Das Wesen, der Kern dieses Buches sind nicht die Gräuel, die mehr angedeutet als erzählt werden, sondern das Schweigen. Das Schweigen der Frauen. Denn das ist, was geschieht: sie werden zum Schweigen gebracht. Es ist ihnen verboten zu lesen, zu schreiben, jeder Buchstabe, und sei es nur ein Straßenschild, ist ausgemerzt für die Augen der Frauen. Und auch das Reden – untereinander, miteinander – ist reduziert auf Floskeln, rituelle Worte, antrainierte Phrasen.

Frauen in höheren Positionen unterliegen diesen Beschränkungen weniger offensichtlich – doch auch ihr Reden ist begrenzt. In den Themen, in der Hörweite, in der Macht.

Eine Welt des Schweigens ist es, die Atwood da entwirft, all diese schweigenden Frauen – und es so ist das verruchteste was geschieht nicht etwa, dass der Mann, dem die Magd zugeteilt ist, sie heimlich in ein Neuzeitbordell mitnimmt, nein, es ist das verbotene Spiel, das sie spielen.

Scrabble.

Mädels, redet miteinander! will man reinrufen, denn würden diese Frauen sprechen, miteinander, sich flüstern verbünden, tratschend die Rebellion planen, schnackend die Weltherrschaft an sich reißen – dann wäre aber ratzfatz vorbei mit der Macht der Männer. Das Fehlen von Solidarität. Das auch.

Doch eigentlich die Frage: Wie sehr muss man (Mann) eine Frau fürchten, die spricht?

Nun, olle Adam (wir erinnern uns, Paradies, Apfel) würde wahrscheinlich sagen: Mehr als die Hölle.

Und so erzählt das Buch in gewisser Weise nicht nur vom Schweigen der Frauen, sonder ganz zentral von der Angst der Männer. Das Sprechen der Frauen ist Böse. So ziemlich jede „böse Frau“ ist eine, die spricht, deren Worte pures Gift sind. Denunziantinnen sind geschwätzige Verräterinnen, Hexen sprechen Flüche und Verwünschungen aus, die böse Zunge der Ehefrau und Schwiegermutter, der (männer)-vernichtende Gesang der Sirenen, die nervige Vorhersehungen der Kassandra und überhaupt, was muss der Mann immer leiden, weil die Frau dauernd reden will.

Wie in allen Gemeinden der Heiligen 34 sollen die Frauen in den Gemeindeversammlungen schweigen; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. 35 Wenn sie aber etwas lernen wollen, so sollen sie zu Hause ihre Männer befragen. Schändlich ist es nämlich für [die] Frau, in [der] Gemeindeversammlung zu reden. 36 Oder ist von euch das Wort (des) Gottes gekommen? Oder ist es zu euch allein gelangt?

1 Kor 14,33b-36:33b

Das Buch endet mit ein klein wenig Hoffnung, damit, dass die Magd Gelegenheit bekommt, sich zu erzählen, den Report auf Kassetten zu sprechen und Zeugnis abzulegen. Irgendwann später gehört zu werden. (Und brillant ist, wie Atwood auch dieses Gehörtwerden wieder kippen lässt – aber ich will nicht spoilern.)

Unterm Strich bleibt: Seid böse Frauen. Verstummt nicht. Erzählt. Seid leise oder laut in euren Worten, aber redet. In euren Jobs, euren Beziehungen, mit euren Kindern. Das Wort ist mächtig, auch wenn es leise fällt.

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