Lamaštu – Löwenköpfige Tochter des An, machtvolle Göttin und Todesdämonin. Schlangen in den Händen, an den schweren Brüsten saugen jeweils ein Hund und ein Schwein – der Rest des Körpers ist behaart, wie der einen Werewolfs, die Füße sind Klauen.

Sie kommt und tötet die ungeborenen und neugeborenen Kinder, sie ist Seuche und Folter zugleich. Sie lebt im Unrat, im Sumpf, im Tierkot, ihr Pestatem raubt Mutter und Kind das Leben; sie trinkt genüsslich das Blut ihrer Opfer und nagt die Sehnen von den Knochen. Lamaštu zählte einst zu den Göttern, wandelt aber nach ihrer Vertreibung als Dämonin auf der Erde, gekommen um eine Überbevölkerung zu verhindern.

Mythologie (in diesem Fall: Mesopotamien) ist schon was feines. Da geht es zur Sache. Da sind die bösen Frauen unrasiert und fressen kleine Kinder. Wenn man das mit den bösen Frauen unserer Zeit vergleicht – also mit Heidi Klum oder Beatrice Storch … nee, Scherz. Sind ja beides keine Göttinnen, das gilt natürlich nicht.

Aber im Ernst gefragt: Wie steht unser heutiges Frauenbild zu solchen machtvollen und düsteren Frauenfiguren? Halten wir das aus, dass etwas pur weiblich und zugleich dreckig, hässlich, widerwärtig und gewalttätig sein kann?

Man könnte natürlich unzählige Blogbeiträge über mythologische böse Frauen schreiben – und ich hier und da werde ich das vielleicht auch noch tun – was mir aber an der über 4.000 Jahre alten Erzählung über Lamaštu so wesentlich erscheint, ist die Naturgewalt, die sie verkörpert. Sie ist der Kindstod, die Pest, die Seuche, die personifizierte Krankheit.

Sie tötet nicht durch Blitz und Donner, nicht durch Waffengewalt, nicht im Krieg oder Kampf – sondern schleichend, leise und – wenn man so will – tückisch. Aber nicht im Sinne von Heimtücke (welche man ab dem 19. Jh. oft als Wesenszug der Bösen Frau benennt) – sondern in Form der Gegenmacht zur Fruchtbarkeit. Ihre Aufgabe ist die Regulation. Das Verhindern einer Überbevölkerung der Erde. Daher auch ihr Beiname: die Tilgerin.

Das ist nicht verwunderlich: die Fruchtbarkeit ist (ich behaupte immer) weiblich besetzt, ergo ist ihr dunkles Spiegelbild auch Frau.

Lamaštu ist ein Scheusal – oder anders: sie ist gar scheußlich anzuschauen. Das ist etwas, was sie mit vielen anderen machtvoll-bösen Frauen gemeinsam hat – Medusa, die Furien, Baba Yaga, Sirenen & Harpyien, Frau Holle – vor allem eben mit jenen, deren Wesen einer Naturgewalt entspricht oder entspringt. Sie ist scheußlich, aber ganz offensichtlich weiblich. Mehr noch: sie nährt mit ihren Brüsten, wie eine Mutter das tut, nur nährt sie kein Kind, sondern Welpe/Ferkel – beides unreine Tiere.

Viele Motive aus den Erzählungen zu Lamaštu finden sich in mythologischen (literarischen) Figuren späterer Zeit wieder, was aber (für mich sehr offensichtlich) fehlt ist – wie benenne ich das? Nun, das weibliche Scheusal in unseren Erzählungen verbirgt häufig sein Äußeres. Seine wahre Gestalt. Zauberei, Täuschung, List – unzählige weibliche Figuren, die sich ‚verschönern‘. Einerseits um harmloser zu wirken, klar, aber anderseits geht es da auch immer um Aneignung von ‚echter‘ Weiblichkeit, die ihrem ‚wahren‘ Wesen fehlt.

Eine Frau ist schön – und wenn sie es nicht ist, so tut sie zumindest ihr bestes. Denn über die Schönheit gewinnt sie den Mann und was den Mann nicht zu gewinnen weiß, ist nicht weiblich.

Falls ihnen dieser Kreisgedanke absurd scheint, lesen Sie einfach mal 10 min im Social Media mit, wo unter jeder starken (grenzgängigen, eigenwilligen oder nur lauten) Frauenmeinung steht: Du bist hässlich und keine richtige Frau.

Lamaštu aber ist hässlich und durch und durch weiblich.

Das Motiv der ‚Verschönerung‘ fehlt bei Lamaštu völlig. Die wälzt sich brüsteschwingend im Abfall und sabbert Löwenspucke auf ihr Frühstück – und nichts davon nimmt ihr Weiblichkeit und weibliche Macht. Und in dem Sinne: absolut tauglich Rollenvorbild, trotz der dämonischen Tendenzen.